Hier bei uns in der Nähe gab es einen schweren Unfall mit Fahrerflucht.
2 Menschen kamen dabei ums Leben.
Als ich das hörte, hab ich mich darüber aufgeregt, dass der Verursacher zu Fuß geflüchtet ist und das sterbende oder tote Ehepaar auf der Strasse zurückließ. Für sowas fehlt mir jedes Verständnis und es gibt dafür auch keine Entschuldigung.
Am nächsten Tag hatte ich einen Gesprächstermin bei meiner Therapeutin.
Ich kam an der Unfallstelle vorbei, sie war nicht zu übersehen. Die Strasse war übersät mit Markierungen und Ölbinder. Ziemlich bei der Unfallstelle parkten zwei Autos und mehrere Leute standen da und schauten sich das näher an. Die Frauen hielten sich an den Händen und weinten stumm, während die Männer das Unfassbare zu erklären versuchten. So war jedenfalls mein Eindruck. Mir stiegen die Tränen in die Augen und ich fuhr auf einen nahegelegenen Parkplatz. Ich hab eine Runde geheult und bin dann zum Therapiegespräch weiter.
Da mich das so beschäftigte und berührte und ich entsprechende Spuren im Gesicht hatte, sprach ich das Erlebte und seine Wirkung auf mich an.
Letztlich drehte sich das ganze Gespräch darum.
Warum? Nun, das war meine Geschichte... Erlebt am 27. März 1981
Nur die Bilder waren anders. Es war kein Unfall, sondern ein Infarkt. Es war entgültig und unfassbar.
Selbst der Flüchtige kommt in meiner Geschichte vor. Das war mein Vater. Er ist damals auch davon gelaufen vor der Verantwortung für eine 13-jährige Tochter. Er flüchtete sich in Frauengeschichten, 6 Wochen nachdem meine Mutter gestorben war.
Was in meiner Geschichte nicht vorkommt, sind die Frauen, die sich an den Händen halten. Die gab es bei mir nicht. Ich war alleine. Trost gab es nicht, ich hatte zu funktionieren...
Kindheit war vorbei. Pubertät gab es keine, fiel aus.
Ich dachte echt, ich sei weiter. Aber ich hab da noch ein großes Stück vor mir. Trauerarbeit. Überhaupt, das Zulassen von Gefühlen...
Wut auf meinen Vater. Die gab es bislang nicht...
Die Therapeutin schlägt dafür einen stationären Aufenthalt vor.