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Sich etwas Gutes tun...

Sich selbst etwas Gutes tun.
Das war so ein Thema, an dem ich in Giessen länger arbeiten durfte, ja wirklich durfte.
Als man mir zum ersten Mal dort die Aufgabe stellte, mich vor jeder Entscheidung zu fragen: Tut mir das gut? Will ich das wirklich? war ich entsetzt.
Was heißt das? Tut mir das gut?
Die Entscheidung steht an und will getroffen werden, wen interessiert da, ob mir das gut tut?
MICH sollte das interessieren...
Quatsch... Unerhört, das ist ja fast schon egoistisch.
Will ich das wirklich?
Das Leben ist doch kein Wunschkonzert...
Ich war geplättet. Das waren ganz neue Töne...
Ob ich das sooo will, oder ob mein Mann doch Recht hatte, von wegen Psychofuzzies? Ich grübelte, ich kämpfte - gegen mich.
Ich seh schon, am Entlassungstag tanze ich meinen Namen...

Und es kam noch besser:

Ich bin der wichtigste Mensch in meinem Leben!

Hey, hey, jetzt aber mal langsam.
Das ist doch wirklich egoistisch!
Das geht ja gar nicht.
Und dann kamen noch solche Sätze wie: Wenn Sie sich nicht mögen, von lieben mal gar nicht zu mögen, warum dann die Anderen?
Wenn Sie so mit sich umgehen, warum dann nicht auch die Anderen?
Wenn Sie sich schlecht behandeln, warum sollen die Anderen Sie gut behandeln.
Wenn Sie sich als wertlos erachten, warum....

Es dauerte Wochen bis ich begriff, das das gar nicht so egoistisch war...
Ich hab da lange lernen dürfen.
Und es war holprig.
Langsam fand ich einen Weg zu mir. Aufarbeiten der Vergangenheit. Ablegen von solchen Sätzen aus der Kindheit, die ich hören durfte: Das kannst Du nicht. Du bist zu dumm. Lass mal, Du machst es nur kaputt...
So dahergesagte Sätze, die sich einbrennen und verfolgen bis ins Erwachsenenalter.
Ich wollte in der Schule im Chor singen... Die Lehrerin, du kannst nicht singen. Im nächsten Schuljahr ein anderer Musiklehrer... Der wollte für den Chor neue Mitglieder. Ein Vorsingen stand an. Ich kam an die Reihe und blieb stumm. Zumindest sang ich nicht, weil ich kann das ja nicht, hat die Frau Soundso gesagt, und die ist Lehrerin...
Jahre später, höre ich den Satz immer noch... Immer dann, wenn es an das Gute-Nacht-Ritual ging: Ich habe niemals meine Kinder in den Schlaf gesungen... Keines der drei. Ich habe stattdessen gelesen.
Ich singe heute immer noch nicht vor, aber ich singe mit. Ich singe im Duett mit Gloria Gaynor *I am what I am*, mit Whitney Houston *Give me one Moment in Time*, mit Adele.... Und Leute, ich sing mit dem großen Pavarotti *Nessum Dorma* oder mit Freddie *Barcelona*
Und ich kann dabei die Tränen laufen lassen. Vor Freude.
Ich singe! Im Auto. Lautstärke... laut, gut laut.
Und hey: Wen interessiert es, ob ich es kann? Ich tue es.

Jetzt bin ich ganz schön abgeschweift, aber ich finde es so wichtig, sich bewusst zu sein, was solche gedankenlos dahergesagten Sätze in Kinderseelen anrichten können.

Heute war so ein Tag: Heute habe ich mir etwas Gutes getan: Ich war beim Friseur, Schnitt ist geblieben, Farbe ein bißchen anders. Die Augenbrauen sind wieder in Form.
Und hey, ich gefalle mir. Ich mag mich. Mit meinen Speckrollen, meinen Falten, die sich so langsam festsetzen. Da es aber immer noch mehr Lachfältchen sind als andere ist es okay.
Das war auch nicht immer so.
Das erzähle ich aber ein andermal.
Ist eine längere Geschichte. Hat ihren Ursprung in Australien, führte mich an die Lahn und war schließlich ein Ausrufezeichen auf einem langen holprigen Weg.

Ich wünsche euch eine Gute Nacht.
Und einen guten Start ins Wochenende.
Tut euch was Gutes.
Schenkt eurer Seele ein paar Streicheleinheiten.

Inne halten 11.06.2015, 22.22

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