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Ein denkwürdiger Nachmittag


Meine Erinnerungen an diesen Nachmittag sind sehr durcheinander.
Es war ein Chaos, in mir und auch um mich herum.
Tausend Gedanken wirbelten mir durch den Kopf.
Alkoholiker... Ich dachte es wären Depressionen...
Ich fühlte mich verletzt. Zutiefst verletzt.
Er kam dann aus der Klinik und heulte. Wir heulten beide.
Ich war traurig und wütend zugleich.
Mir schossen Gedanken durch den Kopf.
Und wieder Zorn und Wut. Und so hilflos und machtlos...

Endlich kam der Termin bei seinem Arzt.
Ich erinnere mich noch dran dem gesagt zu haben: Ich wünsche nicht, daß ihre Angestellte Schwierigkeiten bekommt. Ihre Handlungsweise war absolut richtig!
Er sah das etwas anders.

Das war aber nicht das Thema. Mein Mann wollte/sollte zum Entzug und hielt es in der Klinik nicht aus.
Also, wie geht es weiter?
Es musste doch einen Plan B gegen.
Ich war immer ein Mensch der Tat. Jammern war nicht mein Ding. Zumindest nicht jammern und verharren in einer Situation.
Das hat mir manches mal sicher das Leben gerettet, es mich aber ebenso oft an Grenzen gebracht, die ich nicht wahrnehmen wollte und nach außen verschob.
Ich war von jeher für andere da, konnte für sie kämpfen, sie tragen und unterstützen.
Für mich sah ich da keine Notwendigkeit.
Das wäre sicherlich sehr egoistisch gewesen. So zumindest mein damaliges Denken.
Mein Mann beschloss ab sofort nichts mehr zu trinken. Seinen Psychiater erfreute es. Nur ich, ich fand das irgendwie doof, so ohne Therapie...
Aber, wenn der Psycho-Doc ihn unterstützt, kann ich doch nicht kneifen...

Ich weiß noch: Als wir die Praxis verließen, fragte mich der Psychiater, wie es mir ginge.
Ich lachte bitter auf und meinte: Mir geht es gut. Doch. Ich bräuchte jetzt aber einen Schnaps, einen zur Verdauung. Ich glaube, ich hatte eben viel zu schlucken.
Er schaute etwas betreten drein und wir fuhren.
Die folgenden Tage waren die Hölle.
Nein, er trank nichts, nicht einen Schluck, aber in mir wuchs so eine Wut...
Ich hatte keinerlei Vertrauen mehr.
Ich erwischte mich dabei, wie ich an seinem Tee schnupperte, seinen Kaffee argwöhnisch betrachtete. Ich beobachtete ihn.
Verließ er das Haus nahm ich bei seiner Rückkehr Witterung auf.
Er trank nicht. Nicht einen Schluck.
Allerdings machte er auch keine Therapie.
Weder die anonymen Alkoholiker noch sonst eine Gruppe besuchte er jemals.
Wozu auch? Er war doch trocken.

Von seinem Umfeld wusste es niemand, nur sein Bruder, dem sagte ich es in jenem Juli. Er nahm es zur Kenntnis.
Fand ich auch nicht richtig.
Aber gut. Er hat es so gewollt und ich zog mit.
Der Kelch schien an uns vorüber gezogen zu sein.
Mein Mann war trocken und es kehrte allmählich wieder Alltag ein.
Der war in den folgenden Jahren geprägt, von Depressionen, Krankheiten wie Asthma und endete schließlich in seiner Berentung 2008.

Morgen geht es dann mit einem denkwürdigen und wegweisenden Wochenende weiter.
Anders ausgedrückt: Dornröschen hat ausgeschlafen.

Danke fürs Lesen und Gute Nacht.

Inne halten 22.05.2015, 00.04

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